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AutorenbildMaja Mogwitz

Profitgier in der Landwirtschaft

Da saß ich doch neulich mit einem Mädchen zusammen auf einem Roller, wir waren gemeinsam auf dem Weg zum Tierarzt. Auf dem Schoß hatte ich einen Straßenhund, der mit seinem handgroßen, fleischig-blutigen Tumor mein Kleid vollsipschte, als wir ein interessantes Gespräch beginnen.



Während ich den Hund beruhigend streichelte - unterhielt ich mich mit ihr.


Sie schrie gegen den Fahrtwind und fragte mich: "Uuund was machst du nochmal? Warum bist du nochmal auf Bali? Ich erzählte ihr daraufhin, dass ich Landwirtschaft studiert habe und das ich selber auf einem Betrieb aufgewachsen bin und das ich nun eine Agrarweltreise mache und was ich mir darunter vorstelle. Einen Moment lang war es leise und dann sagte sie: " Ja, aber machst du denn die Reise auch, um herauszufinden, wie du noch mehr Profit in der Landwirtschaft machen kannst?


Ich habe es nicht direkt verstanden, der Wind pfiff mir auch so um die Ohren, deshalb sagte ich: "Waaaas?"

Und so wiederholte sie ihre Frage ein zweites Mal...


Gerade als ich ihr antworten wollte, fing sie an ein wenig zu kichern und meinte: "Sorry, ich bin da glaube ich etwas voreingenommen."


Profitgier


Da verlasse ich meine Familie, mache mich alleine auf, gebe eine Menge Geld dafür aus um über den Tellerrand zu schauen, neugierig zu sein, offen zu sein, von anderen Kulturen und Gewohnheiten zu lernen, springe einige Male über meinen Schatten um fremde Landwirte anzusprechen, für andere Landwirte kostenfrei zu arbeiten, versuche transparent zu sein und auch hier über alles zu schreiben und zu berichten - ich stehe quasi noch am Anfang von allem und dennoch muss ich mich schon mit der Frage beschäftigen, ob ich auf Profit aus bin.




Profitgier in der Landwirtschaft


Vielleicht tue ich ihr an dieser Stelle auch unrecht und sie wollte mir damit gar nicht unterstellen profitgierig zu sein, aber auch durch ihren Nachsatz stand diese Aussage eigentlich zwischen den Zeilen. Aber sie wäre auch nicht die Einzige, die Landwirten zuschreibt profitgierig zu sein. Scrollt man aufmerksam durchs Internet findet man einige solcher Headlines. Ich habe mal ein paar von ihnen rausgesucht:

"Landwirte setzen aus Profitgier tödliche Umweltgifte ein"

"Profitgier und schonungsloser Raubbau"

"Profitgier macht offenbar auch nicht vor Bio halt"


Profit


Das Wort "Profit" kommt aus dem lateinischen und lässt sich ebenfalls mit "Fortgang", "Zunahme" und "Vorteil" übersetzen. Es bezeichnet in der Ökonomie den Gewinn, also den Überschuss der Erträge, über die Aufwendungen eines Unternehmens.


Was habe ich ihr also geantwortet?


Ich meinte zu ihr, dass ich auf meiner Reise Denkanstöße bekommen möchte - in jeglicher Hinsicht. Ich möchte Landwirte kennenlernen, die eine Leidenschaft zum Beruf haben und mutig genug sind für neue Ansätze. Ich möchte unterschiedliche Anbausysteme und Feldkulturen kennenlernen - ich möchte schlicht weg was von der Welt sehen - immer mit einem besonderen Fokus auf die wichtigen Themen von heute, wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz, aber vor allem die Ernährungssicherung von Menschen.

Ich erzählte ihr aber auch, dass ich jedoch nicht einfach nach Hause kommen kann und Kulturen anbauen kann, die bei unseren Bedingungen in Niedersachsen schlecht bis kaum wachsen. Denn erstens ist Ackerfläche was wertvolles, denn immerhin wird jährlich in Deutschland eine Fläche von mehr als 90 Fußballfeldern für Straßenbau und Wohnfläche umgebaut und dann wäre es eine Verschwendung von Ressourcen, wenn ich dort eine Frucht anbaue, von der ich nur wenig ernten kann. Dies ist auch übrigens gesetzlich geregelt. Die Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist die "sichere Versorgung der Bevölkerung".


Und dann sagte ich zu ihr, dass ich übrigens als Landwirtin auch Unternehmerin bin. Ich trage Kosten für den Einkauf von Saatgut zum Beispiel, für das Einsäen, sowie für die Bodenarbeit und den Pflanzenschutz, ebenso wie für die Reparaturen an Maschinen und so vieles mehr.


Ein Landwirt gibt Geld aus, also muss am Ende auch wieder Geld reinkommen.


Also ja, ein Landwirt muss Profit machen - Sowie jedes andere Unternehmen auch.

Auch wenn der Landwirt eine unersetzliche Arbeit leistet, nämlich Lebensmittel zu produzieren, von denen wir alle abhängig sind, kann er diese Arbeit nur leisten, wenn er das Geld dazu hat. Vielleicht versteht man das von außen nur schwer. Ich möchte es gerne darauf schieben und vielleicht wäre ich auch so, wenn ich all diese Headlines andauernd lesen würde.

Aber ich weiß, dass ich offen dafür wäre, wenn ein Landwirt vor mir stehen würde und mir davon erzählen würde, sowie ich auch jetzt dafür offen bin, mehr über all das zu lernen.


Landwirte dürfen Profit machen und Landwirte müssen Profit machen.


Denn nur Betriebe, die die finanziellen Mittel haben, können auch nach den heutigen Erkenntnissen und technischen Möglichkeiten handeln. Sie können auf Innovationen eingehen. Können Pflanzenschutz einsparen, durch feinste Messgeräte und genauste Einstellungen. Nur wer finanziell gut aufgestellt ist, kann alte Ställe, die meist moorig, feucht und dunkel sind, umbauen lassen. Nur wer finanziell gut aufgestellt ist, kann es sich leisten von einem geschlossenen Stallsystem zu einer Offenstallversion umzusteigen.


Und wenn ich ehrlich bin, tut es mir leid zu sehen, wie viele Landwirte kein Profit mehr machen und aufgeben müssen. Profit heißt auch "Fortgang". Was auch so viel heißt wie "Anpassen". Anpassen an die heutige Zeit. Fortgang mit den Wünschen der Verbraucher. Fortgang beim Stallbau. Versuchen wir es mal mit einem Beispiel: Vor ein paar Jahren war vor allem proteinreiches Fleisch gefragt. Fast jeder der sportlich interessiert war, hat sich hauptsächlich von proteinreichen Lebensmitteln ernährt, wie Eier und Putenfleisch. Landwirte haben aufgerüstet. Sich nach diesem Trend gerichtet. Und heute isst man schon wieder was anderes. Die Landwirtschaft muss doch mit dem "Fortgang der Ernährungstrends" mitkommen, dass geht jedoch nicht, wenn man nicht die finanziellen Mittel hat, beziehungsweise die Zeit hat, alte Ställe abzubezahlen. Das ist doch traurig, wenn es anstatt "Fortgang" zum "Stillstand" kommt.




Wenn ich ehrlich bin, habe ich ihr nicht so geantwortet.


Der Rollermotor röhrte nicht mehr. Wir sind angekommen und haben geparkt. Nun kümmerten wir uns um den Hund und kamen auch wieder auf andere Themen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich ihr nicht so geantwortet. Wenn ich ehrlich bin, war ich auf einmal eingeschüchtert.

Aber ich hätte ihr gerne genauso geantwortet!

Vielleicht aber erreiche ich mit diesen Zeilen ein paar Menschen, also nur sie...


Landwirte.dürfen.Profit.machen.







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